Impffibel

Ein Pieks und dann ist gut – so ist es im 21. Jahrhundert möglich sich gegen gefährliche, mitunter tödlich verlaufende Infektionskrankheiten zu schützen. Der Blick in Geschichts- und alte Medizinbücher lässt dabei nur eine grobe Ahnung des Leids zu, das wir durch das Verschwinden vieler Infektionskrankheiten aus dem kollektiven Bewusstsein vergessen und verdrängt haben. Man sieht riesige Hallen mit dutzenden Kindern in Eisernen Lungen, von Pockennarben gezeichnete Gesichter und die Statistiken über die hohe Kindersterblichkeit bei Diphterie – irgendwie hat man mal was vom Krupphusten gehört – aber von der Angst der Eltern um ihre hustenden Kinder wissen wir mittlerweile zum Glück nichts mehr. Mit dem großen Aufflammen der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wurde die Suche nach einem Impfstoff zur Aufgabe von nationaler Bedeutung. Fieberhaft forschten weltweit tausende an der möglichen Lösung im Kampf um die Herdenimmunität. Als dann die Erlösung mittels Notfallzulassung im Dezember 2020 an die ersten „systemrelevanten“ Mitbürgerinnen und Mitbürger geimpft wurde, war der Neid groß – Termine für den Impfstoff zu bekommen ein Glücksfall. Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle entschied man sich dann zur viel diskutierten Priorisierung: Zuerst sollten die Alten und Schwachen geimpft werden. Unter Ihnen waren zu Anfang die meisten Todesfälle zu verzeichnen, nach und nach kamen andere Gruppen dazu, und die Impfkampagne kam trotz Impfstoffmangels voran. Eigentlich klingt das nach einer echten Erfolgsgeschichte, trotzdem ist das Misstrauen groß. Die Geschwindigkeit der Ereignisse und die Dynamik der Änderungen ließen Viele verunsichert zurück. Mit der Zeit wuchs die Gruppe der Impfskeptiker, und die Gesellschaft trennte sich an der Gretchenfrage nach der Impfung in zwei unversöhnliche Lager. Die einen sehen in der Weigerung zur Impfung einen asozialen Akt und Schuld an vielen Toten, die anderen fürchten Zwang zur Impfung mit dem vermeintlichen Gift und ahnen die Weltverschwörung. Das klingt zwar alles nach dem mittlerweile alltäglichen Corona-Wahnsinn, den uns diese Pandemie brachte – so neu ist das aber eben nicht. Diese recht ambivalente Beziehung zur Impfung gibt es so lange wie die Impfung selbst. Etwa bei den Masernimpfungen sind auch heute noch die Töne ähnlich, und auch wenn die Masern für kleine und ungeborene Kinder im schlimmsten Fall Tod oder schwere Behinderung heißen können, braucht es zum Erreichen der gewünschten Herdenimmunität von knapp 93% eine Impfflicht, auch wenn gerade die Impflicht zur Verhärtung der Fronten sicherlich einen Beitrag geleistet hat.

Da wo man mit gutem Willen und Aufklärung keinen Schaden abwenden kann, ist es sicherlich Aufgabe der Zivilgesellschaft mit Verboten und Zwängen zu arbeiten. Aber so lässt sich das grundsätzliche Problem – eben diese Angst und das Misstrauen gegen Impfungen und Impfstoffe – nicht wirklich lösen. Wir haben uns daher gedacht, es wäre ein nützlicher Beitrag, mit Aufklärung und Information das Thema Impfungen anzugehen. Dankbarerweise wurde dieses Anliegen durch Mittel des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz. Wir konnten es im Zuge von Informationsveranstaltungen, Workshops und Vorträgen in Brandenburg an mehr als 1500 Interessierte verteilen. Wir denken dabei, dass den meisten Impfskeptikern nicht die oft unterstellte Bildungsferne innewohnt. Sie sind meist sehr gut informiert, nur sind die Quellen fraglich, häufig unseriös oder Interessen gesteuert. Wir haben dabei auch ein Interesse, wir wollen vermeidbare Tode durch Infektionskrankheiten vermeiden. Damit sind wir nicht neutral, aber sehen hierzu auch keine Möglichkeit, denn die Erfolge der Impfungen sind für jeden sichtbar, der an seinem Arm keine Narbe von einer Pockenimpfung mehr vorzuweisen hat. Und wenn man auch im 21 Jahrhundert noch über Autismus, Computerchips und Unfruchtbarkeit durch Impfungen reden will, kann ein Blick in dieses Vademecum sicherlich ganz hilfreich sein.

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